Kein Verzicht auf zukünftigen Unterhalt
14.07.2022
Eltern sind ihren Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet. Sie müssen das Kind dabei sowohl versorgen und betreuen als auch wirtschaftlich unterhalten. Bei getrennt lebenden Eltern erbringt im Regelfall ein Elternteil die Betreuungsleistung, während der andere Elternteil Unterhalt in Geld zahlt. Beide Komponenten sind gleichwertig.
Gelegentlich kann ein Elternteil bestrebt sein, die Barunterhaltsverpflichtung als Einmalzahlung mit Wirkung für die Vergangenheit und die Zukunft „zu erledigen“. Vereinbarungen zum Unterhaltsrückstand sind möglich, Verzichte auf zukünftigen Kindesunterhalt sind unwirksam, §§ 134, 1614 BGB. Diese Regelung gilt absolut und zwar auch dann, wenn tatsächlich eine (Einmal)-Zahlung zur Deckung auch zukünftigen Unterhalts erfolgt ist. In einer solchen Abfindungsvereinbarung kann allenfalls eine Regelung zwischen den Eltern über die zukünftige Freistellung des einen Elternteils durch den anderen gesehen werden. Zwar ist eine solche Freistellungsvereinbarung zwischen den Eltern zulässig, für das Kind jedoch nicht bindend. Weder wird es durch einen Elternteil wirksam vertreten, noch ist es später gehindert, den Unterhalt gerichtlich geltend zu machen. So entschied es das Brandenburgische Oberlandesgericht im Beschluss vom 12.10.2021 zum Az.: 13 UF 64/18. In diesem Fall verteidigte sich ein Vater gegenüber der nunmehr volljährigen, auf Unterhalt klagenden Tochter damit, er habe der Mutter im Jahr 2001 50.000 DM auch zur Abgeltung zukünftigen Kindesunterhalts überlassen und müsse nunmehr gar keinen bzw. nur noch geringeren Unterhalt zahlen.
Auch mit seiner weiteren Argumentation hatte der Kindesvater kein Glück: er behaupte aufgrund geringer tatsächlicher Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit nicht in der Lage zu sein, Barunterhalt zu leisten. Das Brandenburgische Oberlandesgericht wies darauf hin, dass ihn im Verhältnis zur Tochter eine verschärfte Erwerbsobliegenheit getroffen habe. Daraus folge, dass er alle zumutbaren Erwerbsbemühungen zu ergreifen habe. Er hat dabei seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen und gegebenenfalls seine Erwerbstätigkeit auf 48 Stunden/Woche auszuweiten oder eine Nebentätigkeit aufzunehmen.
Der Senat wies dabei bereits darauf hin, dass angesichts des gegenwärtigen Mindestlohns iHv 10,45 Euro (brutto) ab 01.07.2022 bzw. 12,00 Euro (brutto) ab 01.10.2022 auch aus einer Nebentätigkeit nicht geringe Erlöse erzielt werden können. Der notwendige Selbstbehalt gegenüber dem minderjährigen in allgemeiner Schulausbildung befindlichen Kind beläuft sich im Augenblick auf 1.160,00 Euro; der Zahlbetrag des Mindestunterhalts für ein Kind zwischen 12 und 17 Jahren beträgt 423,50 Euro. Verdient der Vater tatsächlich 1.500 Euro netto/Monat kann es rechnerisch „eng“ werden. Ist der Vater jedoch weniger als 48 Stunden/Woche im Hauptjob erwerbstätig, z.B. 38 Wochenstunden, so kann er rechnerisch aufgrund des geltenden Mindestlohnes aus einer Nebentätigkeit gut 400 Euro (brutto) zusätzlich zum Hauptjob erzielen und wird damit im Ergebnis leistungsfähig. Unmaßgeblich ist, ob er den Nebenverdienst tatsächlich erzielt, solange das Gericht nur davon überzeugt ist, dass er diesen erzielen könnte. Denn dann ist er zum Nebenerwerb im Rahmen der ihn treffenden verschärften Erwerbsobliegenheit verpflichtet.
RA Dürlich