Haftung bei Unfall im Stopp-and-go-Verkehr
26.06.2015

Das Oberlandesgericht Hamm (Az. 9 U 60/14) hatte sich mit der Frage zu befassen, welche Haftungserteilung anzunehmen ist, wenn auf einer Autobahn ein Kfz. auf einen Pkw auffährt, welcher gerade einen Fahrstreifenwechsel durchführt.
Das Oberlandesgericht Hamm (Az. 9 U 60/14) hatte sich mit der Frage zu befassen, welche Haftungserteilung anzunehmen ist, wenn auf einer Autobahn ein Kfz. auf einen Pkw auffährt, welcher gerade einen Fahrstreifenwechsel durchführt. Bei dem gegenständlichen Unfallereignis führte der Fahrzeugführer des Klägerfahrzeuges einen Fahrstreifenwechsel von dem rechten auf den mittleren Streifen unter Ausnutzung einer Lücke von nur ca. zwei Fahrzeuglängen durch. Bevor der Fahrstreifenwechsel vollständig beendet werden konnte, kam es sodann zu einem Auffahren des bereits auf der mittleren Fahrspur fahrenden Kfz.. Zum Kollisionszeitpunkt befand sich das klägerische Fahrzeug mit den rechten Rädern noch deutlich auf dem rechten Fahrstreifen und ragte so auf den mittleren Streifen nur knapp mit der linken Fahrzeugseite in die Fahrspur des dort fahrenden Kfz..
Das Oberlandesgericht stellte in seiner Entscheidung zunächst klar, dass derjenige, der mit seinem Kfz. auf ein vorausfahrendes oder vor ihm stehendes Kfz. auffährt, den Anscheinsbeweis gegen sich hat, dass er entweder nicht den nötigen Sicherheitsabstand eingehalten, mit unangepasster Geschwindigkeit gefahren ist oder falsch reagiert hat. Nach Auffassung des Gerichts wird dieser Anscheinsbeweis jedoch dann entkräftet, wenn der Vorausfahrende erst einige Augenblicke vor dem Auffahrunfall in den Fahrstreifen des Auffahrenden gewechselt ist und sich die Kollision beider Fahrzeuge in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel ereignet hat. Bei einer derartigen Unfallkonstellation spricht nach Auffassung des Oberlandesgerichts sogar ein Anscheinsbeweis dafür, dass der den Fahrspurwechsel durchführende Fahrzeugführer die ihm gemäß § 7 Abs. 5 StVO obliegende Sorgfaltspflicht bei einem Fahrstreifenwechsel nicht im ausreichenden Maße beachtet und dadurch den Unfall verursacht hat. Aufgrund dessen scheide bei einer derartigen Unfallkonstellation eine Mithaftung des auffahrenden Pkws gänzlich aus. Selbst die Betriebsgefahr des auffahrenden Kfz. tritt nach Auffassung der Oberlandesgerichts Hamm in einer derartigen Unfallkonstellation vollständig hinter das Verschulden des den Fahrspurwechsel durchführenden Fahrzeugführers zurück.
In seiner Urteilsbegründung ergänzt das Gericht sogar noch, dass dies selbst dann gilt, wenn es während des Spurwechsels zu einem kurzen Stopp der Fahrzeuge kommt und die Kollision sich erst nach einem erneuten Anfahren der Kraftfahrzeuge ereignet.
Da aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm ersichtlich wird, dass jede Unfallangelegenheit eine Entscheidung des Einzelfalls ist, empfiehlt sich in vergleichbaren Fällen bereits frühzeitig die Zuhilfenahme anwaltlicher Unterstützung, um mögliche Schadensersatzansprüche durchsetzen zu können.
RA Peters